Liebe britische Freunde,

ich fände es schade, wenn ihr die EU verlassen würdet, zumal euer Königreich sowieso schon mannigfache Sonderregelungen innerhalb der EU genießt. Wir Resteuropäer, wie ihr uns nennen würdet, würden den Verlust eurer Mitgliedschaft sehr bedauern und auch der Schaden für die EU als Gesamtkonstrukt wäre möglicherweise nicht von Pappe. Aber wie heißt es so schön: don´t try to stop the one, who wants to leave. (frei: Reisende soll man nicht aufhalten). Überlegt euch bitte vor eurer Entscheidung aber, ob das, was euer Chief Cameron behauptet auch in eurem Namen geschieht. Vergesst nicht: ihr seid nur ein Staat kleinerer Ordnung mit mittelschwergewichtiger Wirtschaftskraft, der sich in der internationalen Wirtschaft behaupten muss. Und das mit einer Industrielandschaft, die in den Augen vieler Ökonomen nur mit dem Begriff  „marode“ klassifiziert werden kann. Wir als gemeinsames Europa werden es in wenigen Jahren sehr schwer haben, einen Gegenpol zu aufblühenden Wirtschaften in China und Indien zu bilden. Wie soll es da euch allein ergehen? Desaströs? Ich denke die Gefahr besteht für euch ungleich mehr als für uns Resteuropäer. Ehrlich gesagt, mir wäre ein Europa auch mit etwas mehr Demokratie lieber. Aber ist sich euer Premier eigentlich im Klaren darüber, dass das eine Ausweitung der Machtbefugnisse des EU-Parlamentes bedeuten würde? Und genau das will Cameron ja nicht. Wir Resteuropäer sollten für ein starkes, demokratisch gewähltes Parlament kämpfen, dass von den Völkern der EU gewählt wird, ohne europäische Kommission und Präsidenten, die ja bisher nicht von den Völkern direkt gewählt werden. Und dann sollte dieses Parlament weitgehende Entscheidungsbefugnisse erhalten, jenseits der nationalen Parlamente. So etwas würde auf keinen Fall die Selbstbestimmung der Völker Europas aushöhlen, sondern Europa insgesamt stärken und damit die einzelnen Mitgliedstaaten. Also überlegt es euch noch mal mit dem Austritt. Wie sagte Herbert Wehner einst schon mal so richtig: “ Wer rausgeht, muss auch wieder hereinkommen.“ Erspart euch diese Erfahrung bitte. – euer Joachim F. Gogoll –