GATS? Keine Ahnung, was das ist?
Keine Sorge, Sie sind in bester Gesellschaft mit vielen unserer Politiker. Das Problem ist nur, dass da etwas auf uns zukommt, was für uns alle von Bedeutung ist. Manche sagen: Globalisierung – geht mich nichts an und ist für mich persönlich uninteressant. Vorsichtig gesagt ist das eine krasse Fehleinschätzung. GATS ist eine Folge dieser viel zitierten Globalisierung. Und damit hat es direkt Auswirkungen auf jeden von uns. Wie Sie das bemerken können?
Nun spätestens dann, wenn Sie als Verbraucher etwas reklamieren wollen und das so ohne Weiteres nicht mehr geht oder wenn Sie Ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken können, die Sie und der Klassenlehrer Ihres Kindes für die geeignetste halten oder Sie außerdem längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, bevor Sie im Krankenhaus behandelt werden, oder…oder…oder… Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Zugegeben, was das Krankenhaus angeht, so ist es ja schon bei einigen Kliniken aus Geldmangel soweit. Aber das meinen wir nicht. Solche Zustände könnten durch GATS normal werden.
Was ist das denn überhaupt – GATS?
Mit dem GATS (General Agreement on Trade in Services) wurde 1995 das erste Abkommen für die weltweite Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte in das Vertragswerk der Welthandelsorganisation (WTO) aufgenommen. Anfang 2000 sind im Rahmen der WTO Neuverhandlungen des GATS begonnen worden, welche bis spätestens Ende 2004 abgeschlossen sein sollen. Jedoch regt sich mittlerweile weltweit zunehmender Protest gegen die fortschreitende Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte, vor allem im Bereich öffentlicher Dienste und wichtiger Infrastrukturleistungen.
Der Regelungsumfang dieses Abkommens ist atemberaubend: Post und Telekommunikation, Energie- und Wasserversorgung, Banken und Versicherungen, medizinische und soziale Dienste, Tourismus und Transport, Handel und Bauwesen, Bildung und Kultur: Kein Dienstleistungssektor ist grundsätzlich vom GATS ausgenommen. Alle sollen sie den WTO-Prinzipien des Marktzugangs und der Gleichbehandlung in- und ausländischer Anbieter unterworfen werden. Die besondere Brisanz liegt dabei darin, dass Dienstleistungsmärkte weniger durch klassische Handelshemmnisse wie Zölle geschützt werden, sondern vor allem durch innerstaatliche Regelungen wie Gesetze, Verordnungen, ökologische Normen oder soziale Standards. Ziel der GATS-Verhandlungen ist es aber, sämtlichen innerstaatlichen Regelungen ein möglichst enges Korsett verbindlicher Rahmenrichtlinien anzulegen.
Gerade die öffentlichen Dienste müssen aufgrund der unklaren GATS-Definition „hoheitlicher“ Aufgaben mit verschärftem Wettbewerbsdruck rechnen. Denn sobald sie in Konkurrenz zu privaten Anbietern erbracht werden, was vielfach ohnehin schon der Fall ist, findet das Abkommen Anwendung. Das GATS zielt dabei u.a. darauf ab, dass staatliche Unterstützungsmaßnahmen (Steuervergünstigungen, Subventionen etc.) für öffentliche oder im öffentlichen Auftrag erbrachte Dienste in gleichem Maße ausländischen Privatanbietern gewährt werden. Effekt dieser zunehmenden Konkurrenz ist aber, dass die für gemeinwohlorientierte Leistungen verfügbaren öffentlichen Mittel weiter sinken werden.
Einmal mehr bleiben all die negativen Erfahrungen mit bisherigen Liberalisierungen und Privatisierungen öffentlicher Dienste – Qualitätseinbußen, Preissteigerungen, erschwerter Zugang für Arme, Entlassungen, Lohnsenkungen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse – unberücksichtigt. Denn obwohl die WTO verpflichtet ist, die Folgen des GATS zu untersuchen, ist es dazu bisher nicht gekommen.
Der Zeitplan der GATS-Verhandlungen sieht vor, dass bis Ende Juni 2002 alle WTO-Mitglieder ihre Marktöffnungsforderungen gegenüber anderen Staaten bei der WTO einreichen mußten. Bis Ende März 2003 schließlich mußten die WTO-Mitglieder ihre Marktöffnungsangebote gegenüber Drittstaaten einreichen. Der Abschluss der GATS-Verhandlungen soll mit dem anvisierten Ende der neuen Welthandelsrunde am 1.1.2005 zusammenfallen. Die EU-Kommission führt die GATS-Verhandlungen für die EU-Mitgliedstaaten, wobei auf deutscher Seite das Bundeswirtschaftsministerium federführend ist. Alles klar?
Soweit so schlecht! Aber es kommt noch besser!
Der EU-Hammer!
durch Frits Bolkestein, EU-Binnenmarkt-Kommissar
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